„Exzellente Qualifizierung ist ein zentraler Hebel“

Interview mit Fraunhofer-Präsident Holger Hanselka

Ein beeindruckender Werdegang durch die Welt der Wissenschaft und Innovation – Holger Hanselka, ein Name, der untrennbar mit der deutschen Forschungslandschaft verbunden ist. Als ehemaliger Präsident des renommierten Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), eine der neun tragenden Partneruniversitäten der Max Planck Schools, lenkte der studierte Maschinenbauingenieur viele Jahre die Geschicke einer der führenden Exzellenzuniversitäten Deutschlands. Seit 2023 fungiert er nun als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft und steht damit einem zentralen Partner der Max Planck Schools vor. Grund genug, ihn für unsere Website zu interviewen.

Die Max Planck School of Photonics ist ein herausragendes Beispiel für die Verzahnung von Forschung und Anwendung. Als Sie das erste Mal von der Idee hörten, aus dieser Schnittstelle ein Graduiertenprogramm mit nationalem Charakter zu machen – was waren Ihre Gedanken dazu?

Die Photonik hat als Enabling-Technologie enormes interdisziplinäres Potential in Wissenschaft und Industrie. Wir haben zahlreiche Schnittstellen, an denen die Photonik eine Schlüsseltechnologie einnimmt, etwa Licht als Informationsträger in der Analyse von Prozessen oder Materialien – und entsprechende Beispiele lassen sich in nahezu jeder wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Disziplin benennen.

Schon zu Beginn, aber auch und gerade heute als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft begeistert mich die Anwendungsorientierung. Der Ansatz die Nachwuchsförderung im Bereich der Photonik voranzutreiben, ist folgerichtig, logisch und eine Investition in unsere Zukunft. Wenn wir die Wirtschaftsleistung und die Wertschöpfung im Sinne der Gesellschaft voranbringen wollen, ist exzellente Qualifizierung ein zentraler Hebel.


Die MPS Photonics ist mit ihrem Sprecher Andreas Tünnermann eng angliedert an das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF und das Photonik-Ökosystem in Jena. Längst gilt die Photonik als Schlüsseltechnologie und braucht demnach exzellent ausgebildete Wissenschaftler:innen und Fachkräfte. Wie sieht die Zukunft dieses stark interdisziplinär geprägten Forschungsfeldes Ihrer Meinung nach aus?

Die Photonik ist eine zentrale Technologie, die in vielen Fachbereichen der Schlüssel dafür ist, dass wir Dinge besser, schneller oder genauer machen können. Mit den entsprechenden Lösungen sparen wir Zeit, finanzielle Mittel und andere wertvolle Ressourcen. Das Forschungsfeld wird uns auch in Zukunft dabei unterstützen, Grenzen immer weiter zu verschieben: wir können mit immer kürzeren Lichtpulsen arbeiten, immer mehr Energie in immer kleinere Lichtpakete einbauen, damit neue Effekte nutzen und so fort. Das liegt in der Natur dieses Wissenschaftszweigs und macht ihn so besonders.


Und welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Qualifizierung in frühen Karrierestufen, wie im Rahmen der Max Planck Schools, hierbei?

Auf der einen Seite haben wir in den Max Planck Schools eine fachliche Qualifizierung in einem interdisziplinären Umfeld und setzen sehr früh im Masterstudium auf Forschungsorientierung in der Breite. Das wirkt sich entscheidend darauf aus, wie die Doktorand:innen in die Promotion einsteigen und ihre Forschungsthemen definieren: Sie haben einen sehr weit geschulten und offenen Blick auch auf Themenfelder, die für sich meist eher eng gefasst sind.

Auf der anderen Seite finden wir in den Max Planck Schools eine Themen-Bündelung samt Anbindung an die relevanten Kompetenz-Zentren. Wir haben die Grundlagenforschung, in der die bisherigen Grenzen durch gänzlich neue Ansätze verschoben werden. Sie wird vermittelt auch von Nobelpreisträgern wie Ferenc Krausz und Stefan Hell, die an die Promovierenden ihre besondere Motivation weitergeben und Vorbild sind: Welches Mindset ist Voraussetzung für eine solche Karriere, was erwartet jene, die sich für diesen Weg entscheiden? In den Max Planck Schools erhalten die jungen Talente einen unmittelbaren Zugang – und das in großer thematischer Breite, in einem über ganz Deutschland verteilten Netzwerk. Das ist eine unschätzbare Chance für alle Beteiligten – nicht zuletzt auch für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland.


Sie sprechen vielfach über die Bedeutung von Kreislaufwirtschaft sowie einen sorgfältigen Umgang mit unseren Ressourcen und werben für Technologieoffenheit. Welche Verantwortung schreiben Sie der Wissenschaft in diesem Kontext bzw. allgemein in der Bewältigung globaler Herausforderungen zu?

Unsere globalen Herausforderungen sind nur mit der Unterstützung moderner Wissenschaft zu bewältigen. Und die Wissenschaft hat in vergleichsweise sehr kurzer Zeit schon Herausragendes geleistet. Nehmen wir etwa das Photonik-Beispiel der LED, die ein so breites Thema wie Licht ressourcenschonender und letztlich nachhaltiger gestaltet – nicht fernab des Alltags der Menschen, sondern bis in jeden einzelnen Haushalt hinein. Energieeffizienz, verbesserte Herstellungsprozesse, Wirkweisen und Verfahren, neue Materialien – mit innovativen Ansätzen gelingt es uns, Ressourcen zu schonen und dem Klimawandel zu begegnen, aber auch globalen Krisen wie etwa der COVID-19-Pandemie die Stirn zu bieten. Hierfür sind eine vernetzte, disziplinübergreifende Forschung und multilateraler Austausch entscheidend. Das gilt auch für die Umsetzung der ökologischen und digitalen Transformation.

Bei alledem müssen wir uns immer bewusst sein, mit welcher Verantwortung unsere Arbeit einhergeht. Wir müssen uns stark machen für die Offenheit und Freiheit von Wissenschaft und Forschung in einer Welt mit zunehmendem globalem Wettbewerb, systemischen Rivalitäten und geopolitischen Unsicherheiten. Es geht stets auch darum, für unsere Werte und Prinzipien einzustehen. Hierfür müssen wir in diesem globalisierten Umfeld politisch und technologisch souverän sein und bleiben. Nur dann kann es uns gelingen, erfolgreich und über Landesgrenzen hinweg den Herausforderungen unserer Zeit entgegenzuwirken.


Wie können vor allem junge Wissenschaftler:innen, wie die Promovierenden der Max Planck Schools, Ihrer Auffassung nach einen Beitrag dazu leisten?

Die Max Planck Schools rekrutieren international – junge Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Allein dieser Pool an verschiedenen Perspektiven und Erfahrungsschätzen und der Austausch untereinander gibt wertvolle Impulse, um mit maßgeschneiderten Lösungen Wertschöpfung für die gesamte Gesellschaft zu generieren. Die Promovierenden sind hoch motiviert. Sie wollen Dinge verändern und gehen mit einer großen Offenheit an die Ideenfindung. Programme wie die Max Planck Schools bieten ihnen hierfür ideale Plattformen und Austausch-Möglichkeiten, damit sie kreativ wirken und sich mit anderen Expertinnen und Experten vernetzen können.


Die Schools wurden vergangenes Jahr von einem internationalen Expert:innengremium exzellent bewertet hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Qualität und ihres Mehrwerts für das deutsche Wissenschaftssystem. Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Weiterentwicklung des Programms in den kommenden Jahren?

Die Max Planck School of Photonics (MPSP) bündelt die Kompetenzen der Photonik-Community und fördert hochbegabte junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Weltspitzenniveau. Dabei ist das Programm 2018 mit dem erklärten Ziel gestartet, als Exzellenz-Graduiertenschule international in einer Liga mit Eliteeinrichtungen wie der US-amerikanischen Harvard-Universität, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) und anderen vergleichbaren Institutionen in Großbritannien oder China zu spielen.

Die MPSP wird international wahrgenommen. Trotzdem bleibt es eine Herausforderung, diese Strahlkraft weiter auszubauen. Es braucht Zeit, bis sich eine Marke etabliert. Es gilt also, diese Position und im selben Zuge auch das deutsche Wissenschaftssystem insgesamt zu stärken. Zudem ist es wichtig, sich thematisch konstant weiterzuentwickeln. Die Struktur des Programms sieht vor, dass die Fellows, welche die Betreuung der Promovierenden übernehmen, immer nur für einen begrenzten Zeitraum wieder berufen werden können. Das dient der Vielfalt und Weiterentwicklung der behandelten Forschungsthemen. Es ist aber auch wesentlich, hierfür die richtigen Köpfe zu finden. Vordenkerinnen und Vordenker, die die nötige Technologie-Offenheit mitbringen und nicht nur eine akademische Karriere vor Augen haben, sondern sich auch in der Industrie oder einer eigenen Ausgründung sehen.


Abschließend, als damaliger KIT-Präsident haben Sie das Schools-Programm 2018 schon im Aufbau mitbegleiten dürfen. Wo würden Sie die Max Planck Schools gerne in zehn Jahren sehen?

Tatsächlich ist es großartig zu sehen, wie sich die MPSP entwickelt hat – von ihren Ursprüngen auch an der Karlsruhe School of Optics and Photonics des KIT bis heute. Ich sehe uns hier auf einem richtig guten Weg. Wir haben brillante Talente an den Max Planck Schools versammelt, aber von so exzellenten Geistern können wir nie genug haben. Das heißt unser Ziel muss sein, einer noch deutlich größeren Anzahl die Möglichkeit zu geben, in unserem Programm zu starten und sie bei uns weiter zu qualifizieren und auch verstärkt internationale High-Potentials zu gewinnen.

Wir sehen jetzt die ersten Graduierenden, die ihre nächste Karrierestufe genommen haben. Sie alle werden sich weiterentwickeln und ich bin mir sicher, dass sie zu Aushängeschildern und Botschaftern der MPSP werden. Aus ihren Initiativen werden zahlreiche Unternehmen und Unternehmungen entstehen, die sich mit den relevanten Problemen unserer Gesellschaft auseinandersetzen und Lösungen hervorbringen – und das auf mehreren Ebenen: in der Wissenschaft, der Industrie und in vielen Start-ups.

 

Seit August 2023 ist Holger Hanselka Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. Zuvor hatte der studierte Maschinenbauingenieur verschiedene Positionen inne, unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), als Professor für Adaptronik an der Universität Magdeburg sowie anschließend als Direktor des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit in Darmstadt und Vizepräsident an der dortigen TU. Schließlich wechselte er im Oktober 2013 als Präsident an das Karlsruher Institut für Technologie. 

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